Donnerstag, 31. Dezember 2015

Forscherlager am Woising

Das 2015er Spätsommer-Forschungslager am Woising hat von 29. August bis 06. September stattgefunden. Teilnehmer waren Uwe Kalmbach und Markus Kreuß (beide VHO) sowie Sebastian Heiland (Salzburg).
Bei strahlendem Sonnenschein sind wir am Samstag über das Appelhaus ins Biwak aufgestiegen. Erwartet hat uns eine überraschend sonnige und warme Biwakwoche, in die es nur gegen Ende etwas hineingeregnet hat. Auf dem Programm standen eine Oberflächentour sowie die Weiterforschung an den zahlreichen offenen Fortsetzungen in den Höhlen. Nachdem wir im letzten Jahr den lange ersehnten Zusammenschluss der beiden größten Höhlen (Nervensystem, Hochdruckblasi) feiern konnten, führte uns diesmal praktisch jede Tour ins „Woisinghöhlensystem“.
Die erste Tour führte in den 2013 gefundenen und Blasi2 getauften Bereich, welcher zahlreiche und große offene Fortsetzungen aufweist. Hier haben wir am letztjährigen Ende einen Schacht queren und den Weiterweg erforschen können. Leider enden alle der fünf Fortsetzungen in zu engen Klüften oder verlehmten Röhren und so haben wir auf dem Rückweg alle Seile wieder ausgebaut. Der starke Luftzug geht in eine Kluft, die wir am Beginn dieses Höhlenteils noch einsehen können und uns aus Zeitmangel für eine der kommenden Touren aufheben wollen.
Die zweite Tour haben wir bei strahlendem Sonnenschein genutzt, um einige große Oberflächenschächte in Richtung Woisinggipfel anzuschauen. Diese Schächte liegen direkt über den Tag fernen Teilen unseres Höhlensystems. Der erste endete auf  ca. -50 m durch Eisverschluss. Der zweite war wirklich beeindruckend mit einer 50 Meter tiefen schrägen Eiswand, die sich weiter in großer Dimension in die Tiefe zieht. Wegen extrem akuten Steinschlags (durch die Tageshitze freigeschmolzenes Geröll) haben wir hier umgedreht. Dieser Schacht bleibt interessant, wenn es kälter ist oder noch Schnee über dem Geröll liegt. Der letzte Schacht an diesem Tag sollte sich als Volltreffer entpuppen. Uwe hat ihn schon früher im Sommer entdeckt und wegen dem gewaltigen, horizontalen Eingang als „Woising-Koloss“ bezeichnet. Nach einer 10 m und einer 25 m Stufe stehe wir in einer größeren Halle. Ein beeindruckender Luftzug streicht in einem großen Gang nach unten und führt uns an eine nächste Schachtstufe. Ich bohre einen Dübel, hänge das 60m Seil ein und werfe es nach unten. Überraschenderweise hängt es frei im Raum unter mir. Ein hinterher geworfener Stein schlägt erst nach knapp 8 Sekunden auf. Das wird tief: 100 – 150 m mindestens! Und wir müssen leider aus Zeit-, Seil- und mentalem Mangel umkehren. Der „Koloss“ wartet auf uns. Nächstes Jahr.
Die dritte Tour haben wir genutzt, um einige seit langem offene Fragezeichen im Bereich „Mistralgang“ im Nervensystem anzuschauen. Durch den Ballonhöhlen-eingang seilen wir rasch die ca. 150 Höhenmeter auf das 1640er Niveau und gelangen in den stark bewetterten Höhlenbereich. Am Westende des Ganges ist seit Jahren ein großes Fragezeichen im Plan unter „Nebeldom“ vermerkt.

Nebeldom – leider keine Fortsetzung
Leider enden beide großen Schachtfortsetzungen wie so häufig in unbefahrbar engen Mäandern. Eine Horizontalfortsetzung auf dem 1640er Niveau können wir nicht finden. Auf dem Weiterweg Richtung Ost-Mistralgang erforschen wir zwei nach unten führende Lehmröhren, welche ebenfalls beide in zu engen Mäandern enden. Auf dem Weg nach Draußen (über den Nordabsturz) erblicken wir noch eine große, fossile Gangfortsetzung, welche aber durch eine Schachtquerung versperrt ist. Aus Materialmangel muß diese wohl zusammen mit dem Koloss bis nächstes Jahr warten.
Die nächste Tour haben wir genutzt, um ein wiederum sehr altes Fragezeichen aufzuarbeiten. Über den „historischen“ Nervensystem E1 wollten wir in den 1992 angefahrenen tiefsten damaligen Teil „Wasserschacht“ absteigen. Da alle alten Seile im Eingangsbereich unter einer meterdicken Eisschicht liegen, mußten wir alles neu einrichten. Nach einer kurzen Schlufstrecke sind wir ins „vegetative Nervensystem“ gelangt. Beeindruckende fossile Tunnel mit Sand- und Sedimentfüllung prägen hier das Raumbild. 

Vegetatives Nervensystem: große Sand- und Lehm gefüllte horizontale Gänge auf dem 1720er Niveau prägen hier das Raumbild.
Leider haben wir auch über 20 Jahre später und mit stärkerer Lichtleistung keine Fortsetzung dieser Tunnel finden können. Aber den Abstieg an den alten Seilen in den Wasserschacht haben wir gefunden und überlebt. Und genau am damaligen Forschungsendpunkt ist nun ein paar Meter gegenüber ein neues Seil im Schein der Lampen zu erkennen. Wir setzen einen Haken und stehen genau da, wo wir an der ersten Tour im Blasi2 in die Kluft geschaut haben. Wow! Zweiter Zusammenschluss von Nervensystem und Hochdruckblasi. Damit leider aber auch gleich zwei Hauptfortsetzungen im Plan „gelöscht“.
Die zweite Verbindung zwischen Hochdruckblasi und Nervensystem an einer historischen Endstelle von 1994!
Wir sind froh, nicht über die alten Seile im Wasserschacht aufsteigen zu müssen, sondern über den Blasi2 aussteigen zu können. Im Bereich Treppenhalle erforschen wir den nach oben führenden Gang und finden großräumiges Neuland. Auch hier müssen wir zuletzt wegen Materialmangel an einem 10 m Abstieg umkehren. Hier geht es sehr großräumig und bewettert weiter auf exakt 1640 m Höhe.
Am fünften Forschungstag wollen wir eine etwas kürzere Tour machen und den tagnahen Bereich „Deckenhalle“ im Hochdruckblasi abschließen und die dortigen Seile ausbauen. „Leider“ entdecken wir am Westende der Halle einen kleinen, bewetterten Kriechgang, welcher sich als Hauptfortsetzung herausstellt. Nach einem engen Abstieg und einem Sandschluf erreichen wir schön dimensionierte fossile Gänge mit starkem Luftzug auf dem 1720er Niveau.

Durch diesen engen und stark bewetterten Schluf haben wir die Luftwirbelgänge entdeckt.
Wir vermessen fast 300 Meter ohne Seil, bevor wir an einer Schachtquerung umkehren. Zahlreiche offene Fortsetzungen, sowie der starke Luftzug führen uns somit auch am letzten Forschungstag wieder in diesen Bereich. Nach dem Sandschluf bauen wir ein Seil in eine nach unten führende Röhre uns stehen plötzlich da, wo wir am Vortag umgekehrt sind. Auf dem Topo sieht man, das die Gänge einen Kreis bilden. Wie soll aber der Luftzug im Kreis gehen? Darum taufen wir den Bereich kurzerhand „Luftwirbelgänge“. Vielleicht ein seltenes Phänomen endlos zirkulierender Luft? Oder doch noch eine Fortsetzung, die wir übersehen haben? Am anderen Ende der Luftwirbelgänge bauen wir ein Seil in einen großen Mäander und enden frustriert – wie so oft – an einer unbefahrbaren Fortsetzung. Erst im Aufstieg am Seil erkennen wir, dass am gegenüberliegenden Ende eines einsehbaren Parallelschachts ein großer, horizontaler Gang genau auf 1720 m weiterführt. Perfekte Hauptfortsetzung also für den gesamten Bereich und für nächstes Jahr. Und das Ganze dazu noch sehr eingangsnah.



Am letzten Tag regnet es leider in Strömen und wir müssen das Biwak bei diesem Wetter abbauen und winterfest machen. Unangenehm, aber irgendwann fertig damit, machen wir uns danach auf den Weg ins warme Appelhaus zu Bier und Schweinsbraten neben dem neuen Ofen in der Gaststube und steigen danach nach Grundelsee ab.

Fazit: Insgesamt haben wir in diesem Forschungslager 790 m Neuland erforscht und vermessen – und wieder einmal an zahlreichen großen, offenen Fortsetzungen umdrehen müssen. Die Gesamtganglänge des Woisinghöhlensystems erhöht sich somit auf 14,1 km, die Höhendifferenz bleibt gleich bei 382 m. 

Text und Fotos: Markus Kreuß